Alle Beiträge von admin

Vor 50 Jahren

Das Gelände des Funkhauses Berlin im Januar 2014. Links Block E, in dem in der 5. Etage DT64 untergebracht war, rechts Block A. | Foto: © Kai Ludwig
Das Gelände des Funkhauses Berlin im Januar 2014. Links Block E, in dem in der 5. Etage DT64 untergebracht war, rechts Block A. | Foto: © Kai Ludwig

Kai Ludwig im Mai 2014

Vom 15. bis 18. Mai 1964 sendete der Rundfunk der DDR ein Sonderprogramm zum „Deutschlandtreffen der Jugend“ in Berlin. Die große Resonanz auf diese Sendungen mündete in das Nachmittagsmagazin „Jugendstudio DT64“, das vom 29. Juni 1964 an regelmäßig im Berliner Rundfunk lief. Zwischen 1981 und 1987 wurde daraus schließlich ein ganztägiges fünftes Programm aufgebaut.

Der somit bevorstehende 50. Geburtstag führte zu erneutem Interesse am Thema DT64. Allerdings scheint es sich dabei in größerem Maße um jene Spielart der Ostalgie zu handeln, die sich bereits 2013 in umfangreichen Beiträgen über die Serie von Konzerten äußerte, die 1988 in Berlin-Weißensee stattfand. In diesem Zusammenhang bemerkt ein Fernsehprofi zu vor kurzem ausgestrahlten Sendungen über die Jugendkultur in der DDR: „Die gezeigten Filmschnipsel sind allesamt weitestgehend bekannt.“

Ins Auge fällt dabei einmal mehr, wie DT64 als alleinstehendes Phänomen gesehen wird, ohne den Gesamtkontext des Rundfunks in der Berliner Nalepastraße zu betrachten. Besonders interessant ist dann der Umgang mit der Umbenennung von DT64 in MDR Sputnik (entgegen anderen Darstellungen handelte es sich um eine solche, vollzogen zum 1. Mai 1993). Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, wie Details der Geschichte des Rundfunks der DDR auch in Bezug auf die heutige Medienlandschaft interessanter sind, als es im ersten Moment scheinen könnte.

Weitgehend ignoriert werden bei alldem die Änderungen, die bereits vom Herbst 1990 an im Programm von DT64 vorgenommen wurden. Sie äußerten sich im Verschwinden erheblicher Teile des Wortprogramms und im September 1991 dann auch einer deutlichen Änderung der Musikfarbe.

Was dabei offensichtlich verdrängt wird ist der Umstand, wie hier bereits jene Entwicklungen begannen, die nach der Übernahme des Programms durch den Mitteldeutschen Rundfunk schließlich in deutliche Kritik des bisherigen Publikums mündeten. Charakteristisch dafür ist eine zufällige Runde, die sich Ende 1993 am Rande einer Produktion des Deutschlandsenders Kultur in das still daliegende Studio K13 zurückzog und dort „wir interessieren den Sender nicht mehr“ konstatierte.

Auffällig ist überdies, wie wenig im Vorfeld des anstehenden Geburtstags von den Mitarbeitern des „alten“ DT64 die Rede ist. Dem Vernehmen nach wollen diese das Jubiläum durchaus begehen – ohne die Öffentlichkeit, in den verbliebenen Räumen des Funkhauses Nalepastraße.

Es würde dabei auch abseits der Realitäten liegen, Formulierungen wie „unvergessen“ zu verwenden. Dies zeigt beispielhaft der Fall zweier Moderatoren der ersten Stunde, Karl-Heinz „Kalle“ Neumann und Gretel Ortner. Der Tod von Kalle Neumann vor rund einem Jahrzehnt blieb unbekannt, bis Veteranen des Berliner Rundfunks gezielt befragt wurden. Gretel Ortner schließlich ist selbst aus dem Gesichtsfeld dieses harten Kerns spurlos verschwunden.

Öffentlich gewürdigt wird der bevorstehende 50. Geburtstag von DT64 mit einer dreitägigen Veranstaltung im Berliner Kino Babylon. In diesem Rahmen gibt es Konzerte sowie sich teilweise wiederholende Vorführungen von Filmen und Archivmaterial. Hinzu kommen einzelne Diskussionsrunden mit Gästen aus dem Kreis jener Personen, die überhaupt noch an dieses Thema erinnert werden wollen (was eher die Ausnahme als die Regel zu sein scheint).

Auch über den Veranstaltungsort hinaus wirksam wird dieses Festival mit einem Sonderprogramm vom 8. Mai, 6.00 Uhr, bis zur Nacht zum 11. Mai, 2.00 Uhr. Terrestrisch zu hören sein wird dieses Programm allerdings nur am ersten Tag ab 19.00 Uhr, und zwar im Rahmen des Sendeplatzes von Pi-Radio im Sammelkanal „88vier“ der Medienanstalt Berlin-Brandenburg.

„88vier“ läuft auf UKW nur in Mono, was ironischerweise wieder an einen Aspekt von DT64 erinnert, nämlich das Problem fehlender Übertragungsleitungen, durch das auch noch 1986 in Teilen der DDR nur in Mono gesendet werden konnte. Speziell dort, wo BRD-Sender problemlos in Stereo zu empfangen waren, wirkte das zu diesem Zeitpunkt nur noch peinlich. Entsprechend übte das Staatliche Komitee für Rundfunk anscheinend massiven Druck auf die Deutsche Post aus, um eine durchgängige Stereoverbreitung von DT64 durchzusetzen.

Michael Scholz: Die ganz besond(t)ere Geschichte. Ein Versuch

Seit dem Jahre 1988 ist das Radio für mich ein ständiger Begleiter. Die schönsten Radioerlebnisse hatte ich mit DT 64. Meine Lieblingssendungen waren: „Podiumdiskothek“, „Mischmasch“, „Take five“, „Dr. Kaos“, „Hitglobus“, „Everbeats“, „Soundtrack“, „Deutschland im Stau“. Für mich interessante Radioprojekte waren „Die Top 2000 D“ eine Gemeinschaftsproduktion mit dem SDR 3 (August 1990) und die „DT 64 Hitkaravane“, die vom 17. Bis zum 27. Mai 1991 durch Deutschland zog.

Eines morgens, es war ein Freitag im September 1991, sagte mein Vater zu mir: „DT 64 ist heute ein Piratensender.“ Ich dachte damals: „Das ist ja toll, da senden die also von einem Schiff aus.“ Den Ernst der Lage habe ich nicht begriffen, ich war 9 Jahre alt. An jenem Freitag im September, heute weiß ich, dass es der 13. September war, hörte ich zum ersten mal den Slogan „Power von der Eastside.“ Im Nachhinein habe ich mich oft geärgert, dass ich nichts für diesen Sender tat.

Dann gab es im Herbst die Demonstrationen. Mir ist noch der Satz „Alle Hörer aufwachen, es geht ums Ganze! im Gedächtnis. Und in der Zeitgeistrubrik „Kompost“ sagte, ich glaube, es war André Sander, „Von den Schwachen zu wenig gestützt, verstarb Jugendradio DT 64.“ Das war am 15. November 1991. Als mich mein Vater am 20. Dezember 1991 vom Bahnhof abholte, – ich besuchte damals die Blindenschule in Chemnitz -, sagte er: „Die Nachrichten werden heute gesungen.“ An diesem Tag lief der „Stimmbruch“, dies war eine Sendung, in der Prominente für den Erhalt von DT 64 stritten.

Ich habe Jingles und Sendungsausschnitte gesammelt. Die Sendungsausschnitte stammten vom „Piratentag“, vom „Stimmbruch“, und von der Sendung „Deutschland im Stau“. Da sammelte ich die Fernsehausschnitte, die in der Rubrik „Feuer frei auf die erste Reihe“, liefen.

Am 2. August 1993 besuchten mein Cousin und ich unsere Großmutter. Ich hatte meinen Kassettenrecorder und eine Kassette mit den eben erwähnten Jingles und Sendungsausschnitten von zu Hause mitgenommen. Mein Cousin wusste, wie man den Recorder bedient. Irgendwann war er genervt und schaltete den Recorder ab und erklärte: „Wir haben beschlossen, diesen ganzen Quatsch zu löschen.“ Er hat mich nicht gefragt, gewährt habe ich mich auch nicht, da er älter ist als ich. Und unsere Großmutter sagte: „Genau, diesen Quatsch von dem Idiotensender!“. Ich weiß nicht, warum sie dies gesagt hat. Seitdem hatte ich keine Lust mehr, etwas zu sammeln.

Ich persönlich glaube, dass das Programmschema von DT 64, so wie ich es von 1991 bis 1993 gehört habe, heute noch Erfolg hätte, auch wenn einige behaupten, dass das andere Zeiten waren.

Michael Scholz, September 2013

Besuch 2 bei der 1044 in Wilsdruff

Der 30.06.1993 war der letzte Tag der Abstrahlung von DT64/mdr Sputnik über den Mittelwellensender der Funkübertragungsstelle in Wilsdruff bei Dresden (Sachsen) auf der 1044 kHz. Am Abend 21:03-22:00 Uhr wurde direkt vom Gelände des 153 Meter hohen Rohrmastes live gesendet. Zuvor war Gelegenheit für einige Videoaufnahmen: inside Mittelwelle. PS: Der Mann mit dem Mikrofon, der gelegentlich im Bild zu sehen ist und Tonaufnahmen macht, ist Claus Grote. DXer und langjähriger Begleiter, Co-Moderator und Autor für den DX64-Club von DT64. PPS: Bei ca. 3:38 hört man den Verkehrsdödel von DT64

Besuch bei der 1044 in Wilsdruff

In der Neuordnung des Rundfunks nach dem Beitritt der DDR war zunächst kein Platz mehr für das Jugendradio DT64. Nach lang anhaltenden Hörer-Protesten durfte der mdr das Jugendprgramm (später als mdr Sputnik) weiterführen. Das Problem: die UKW-Frequenzen waren schon kommerziellen Anbietern zugesprochen. Der Ausweg: die Zwischenlösung per Mittelwelle 1044 kHz. Dort überwinterte das Jugendprogramm vom 01.07.1992 bis 30.06.1993. DT64-Moderator Andreas Ulrich besuchte gemeinsam mit DT64-Kollegen Jörg Wagner (Kamera) den Senderstandort in Wilsdruff (Sachsen). rec.: 26.09.1992